20
Apr
2006

Monoton

Ein Zug raste durch meine Schädel. Von weitem sah ich sein Licht, dann seine harte Font. Auf seinen Fenstern spiegelte sich ein roter Punkt, dann brach er mich in Einzelteile.

Ich öffne langsam meine Augen. Oben die Decke, weiß. Links und rechts die kahlen Wände. Alles beim alten. Draußen holt jemand den Müll. Der Krach ist fast unerträglich. Unten im Keller lebt der alte Gnom. Er ist bereits angzogen und wartet mit dem Frühstück auf mich. Er war schon da, als ich hier einzog.

Da er so gut wie nie redet ist es, als ob ich hier allein Wohnen würde. Außer dem Frühstück macht er nichts in dieser Wohnung. Er ist ja auch nicht mein Diener. Ich überlies ihm den Keller gerne, ich fand Kellerräume immer sehr schaurig. Noch nie bin ich herunter gegangen, um zu sehen, was er da treibt. Einerseits vertraue ich ihm, andererseits würde er mich vermutlich auch nicht zu sich einladen. Wir waren uns einig. Der Gnom hatte Frühstück gemacht.

Nach dem Frühstück setz ich mich wie üblich auf seinen Rücken und reite auf ihm zur Arbeit. Den Leuten auf dem Weg sage ich, er sei ein Poni. Sie brauchen es ja nicht zu glauben, hauptsache wir glauben es. Dort angekommen werde ich wie immer ohne ein Wort unter den Blicken der anderen absteigen und durchs hässliche Gebäude zu meinem Arbeitsplatz gehen. Der Gnom wird, zum nächsten Spielplatz laufen und sich ein Kind aussuchen. Wie immer.

Den Tag verbringe ich damit meinem Chef nicht in den Arsch kriechen zu wollen, ertappe mich mal wieder dabei, wie ich es doch tue. Ich fühle mich dabei nicht besonders. Man sieht es mir auch an. Ich bin blass, motivationslos und habe überhaupt kein Intersse mit meinen Kollegen zu sprechen. Die nehmen es mir übel und sprechen hinter meinem Rücken über mich. Sowas kann ich nicht leiden.

Wenn der Gnom sich ein Kind ausgesucht hat, lockt er es zu sich. Dann packt er es und bringt es vermutlich in seinen Keller. Wenn ich am Abend zu Hause bin, weiß ich davon nichts. Keine Spur von einem Kind in meinem Haus und der Gnom ist meistens schon im Bett und streichelt seinen fetten Bauch. Ein Kind pro Tag, braucht er. Ich habe nie gesehen, wie er eines verspeißt, ich kann es immer nur vermuten. Einmal, auf dem Weg zur Arbeit rülpste er ein Rosa Turnschuh aus. Ungefähr größe 32. Er versuchte es zu verbergen, ich bemerkte es zwar, sagte jedoch nichts.

Ich werde ihm einen Vorschlag machen. Heute muß er mir helfen. Es sind ja auch nicht mehr so viele Kinder da, die meisten sind entweder weggezogen oder bereits aufgegessen. Mein Vorschlag ist, er soll meinen Chef verspeisen. Er kann diesen widerlichen Kerl ja in zwei Gängen verputzen. Mir wäre es egal. Vermissen würde ich ihn sicher nicht. Ich muß dem Gnom sagen, das ich über seine Kinderfresserei bescheid weiß. Ich glaube er will nicht, das es an die Öffentlichkeit gerät. Notfalls werde ich ihn damit erpressen. Mein Chef muß weg. Ich könnte mir nichts schöneres für ihn vorstellen, als von meinem Gnom gegessen zu werden. Oder ich lasse ihn heimtückisch von einem Zug überrollen. Dann muß der Gnom eben sehen, wo er bleibt.

Nachtrag: Dieser Text wurde von mir noch einmal auf Hoffa´s Worte veröffentlicht

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